This article explores an overlooked motif in the Critique of Pure Reason: the “Damsel in Distress.” Kant uses the trope to motivate his first Critique on a narrative level. Reason is depicted as a high-born female subject in a hopeless predicament, unable to free herself. A hero rescues her, not by liberation, but by discipline, mirroring the myth where the rescued female is appropriated through marriage. The paper examines the parallels between this popular trope and the narrative of the first Critique, arguing that Kant’s choice of this motif is due to cultural and political biases. While this narrative aligns with Kant’s goal of establishing philosophy as a strict science, it marginalizes the also present, progressive potential of Kant’ s concept of the highest faculty as a hermeneutical, world-making, and orienting capacity as means for universal cum critical thinking.
Der Artikel identifiziert ein bisher unbeachtetes Narrativ in der Kritik der reinen Vernunft: die Jungfrau in Nöten. Kant verwendet die Trope, um seine erste Kritik auf einer erzählerischen Ebene zu motivieren. Die Vernunft wird metaphorisch als hochwohlgeborenes, weibliches Subjekt dargestellt, das schuldlos in eine Zwangslage gerät, aus der sie sich nicht befreien kann. Ein Held rettet sie, allerdings nicht durch Befreiung, sondern durch Disziplinierung. Die Auseinandersetzung beginnt (1) mit einer argumentativ maßgeblichen Methodenüberlegungen darüber, wie Kant in der Gegenwart gelesen werden kann. Sie zeigt dann (2), dass Kant die Jungfrau in Nöten in der Kritik der reinen Vernunfttatsächlich einsetzt. Anschließend wird (3) hinsichtlich der Gründe für die Wahl des Narrativs argumentiert, dass ihr die Überzeugungen zur Natur der Frau zugrunde liegen, die Kant bereits in den Bemerkungen zu den Beobachtungen über das Schöne und das Erhabene vertritt. Ferner geht (4) mit dem Einsatz der Jungfrau in Nöten eine Marginalisierung des vorhandenen konstruktiven Potenzials der Vernunft auf der Darstellungsebene einher. Insofern Narrative und Metaphern Überzeugungen prägen und den Bereich des Vorstellbaren vorzeichnen, unterminiert Kant durch seine narrative Wahl seine eigene Vernunftkonzeption, nach der das höchste Vermögen positiv als aktive, hermeneutische und orientierende Fähigkeit sowie als selbstreflexive Grundlage kritischen Denkens zu begreifen ist. Die Auseinandersetzung endet (5) mit einem Fazit.